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Channel: Hausfrau – 1914-1918: Ein rheinisches Tagebuch
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24. April 1918

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Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 24. April 1918

Aufruf zur Wäschesammlung am „Windeltag“!

                           Der Windeltag.
   Der 14. Mai soll der Opfertag der Frau in allen Städten und
Gemeinden des Landkreises Solingen sein. Sie soll sich von dem
trennen, was ihr mehr ist als Gold, als Geschmeide und Perlen, was
wie eine liebe Heimlichkeit vertraut geworden ist in ihrem eigensten
Reich: von einem Teil, und sei es nur ein ganz kleiner Teil, ihrer
Wäsche. Wir dürften der bergischen Frau nicht zumuten, daß sie’s
tut, wenn nicht so bittere Not uns dazu zwänge. Aber als die Frau
ihr Haus bereitete, als sie daheim im zierlichen Jungfernstübchen
Tuch nach Tuch durch die Finger gleiten ließ, verwob sie da nicht mit
all den Fäden, die das Leinen säumte, süße und verschämte Träume
von etwas, das einst mit ihr in diesem weißen Reichtum geborgen
liegen sollte. Tausende und Abertausende sind es aber, die heute nicht
wissen, woher sie die Hülle nehmen sollen, um ihr Kindchen wohl
zu betten. Das weiß auch unsere bergische Frau, und deshalb wird
sie opfern von ihrer teuersten Habe. Alles kann zur Herstellung von
Säuglingswäsche Verwendung finden. Tücher, Servietten, Decken,
Bettspreiten, jede kleinste Gabe ist willkommen. Und es soll kein
Opfer für immer sein. Zwar ist es augenblicklich unmöglich, für


jeden noch so geringen Verlust an Wäsche sich Ersatz zu schaffen. Aber
wir hoffen doch alle und haben guten Grund, es zu hoffen, daß jetzt
bald wieder die Zeit des Friedens kommen wird. Dann werden die
Preise nicht gleich sinken, aber es wird doch wieder Leinen in größerer
Menge zu haben sein. Wir wollen nicht, daß die bergische Frau dau-
ernd Einbuße an ihrer Wäsche erleidet. Deshalb soll jedes Stückchen
Wäsche, das jetzt geopfert wird, mit dem dreifachen Friedenswerte
bezahlt werden. Davon soll es keine Ausnahme geben. Alles wird
bezahlt. Auch die Wohlhabendsten werden das Geld für ihre
Wäsche annehmen müssen. Wenn sie es für andere Zwecke hergeben
wollen, so bleibt das ihrer freien Entscheidung überlassen, aber keine
Hausfrau soll glauben, daß sie wegen der lieben Nachbarin dazu ge-
zwungen werde, ihre Wäsche umsonst abzugeben. Was also heute ge-
opfert wird, das kann mit dem Erlös hoffentlich in allerkürzester
Zeit wieder käuflich beschafft werden. Wenn nur jetzt viel zusammen-
kommt. Jetzt ist die Not da und sie verlangt dringend nach Linde-
rung. Deshalb soll das Opfer auch nur für die Zeit der Not gelten.
Es ist gleichsam ein Pfand, das die Hausfrauen den Bedürftigen
geben. Sie werden geben, in großen Mengen, davon sind wir über-
zeugt. Unsere bergischen Hausfrauen werden nicht abseits stehen, wo
die Sammlungen an anderen Orten schon so große Erfolge gezeitigt
haben. Es wird ein Opfertag sein der 14. Mai, aber er wird, das
wissen wir jetzt schon, auch ein Ruhmestag für die bergischen
Frauen werden.


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